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3.8 Kulturlandschaftsgeschichte

Die Kellerwaldregion war bis in das frühe Mittelalter eine weit gehend unbe­rührte Waldlandschaft. Mit der sächsisch - fränkischen Landnahme begannen im 7. Jahrhundert die ersten größeren Rodungen und die Entwicklung fester Siedlungen. Nach der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen im 8. Jahrhu­ndert setzte ein breit angelegter Siedlungsausbau ein in Verbindung mit der Anlage fränkischer Königsgüter. Nachfolgend begann die christliche Missionierung, die durch Gründung von Kirchen und Klöstern einen großen Ein­fluss auf die weitere Siedlungsentwicklung hatte. Die ältesten Kirchengründun­gen erfolgten als Wald- und Höhenkirchen meist in der Nähe alter germanischer Kultstätten. So wurden vermutlich im 8. Jahrhundert die Quernstkirche nördlich von Frankenau und die Siegelskirche östlich von Schmittlotheim gegründet.

Das Ackerland wurde im frühen Mittelalter vermutlich überwiegend in Form der sog. Urwechselwirtschaft genutzt, wobei das Land einige Jahre als Acker bebaut und dann entweder sich selbst überlassen oder einer mehrjährigen Weidewirtschaft zugeführt wurde. Ab dem 10. Jahrhundert setzte sich zunehmend eine geregelte Feldnutzung in Form der Dreifelderbrachwirtschaft durch. Bei dieser Nutzungsform wurden etwa zwei Drittel der Ackerflächen einer Gemarkung in Form von Großfeldern einheitlich bestellt, während die Restfläche zur Regeneration der Bodenfruchtbarkeit ungenutzt liegen blieb.

Der Übergang zur ortsfesten Siedlungsweise hatte wesentliche Nutzungsänderungen im Wald zur Folge: Brennholz wurde jetzt nicht nur wenige Jahre bzw. Jahrzehnte lang, sondern permanent an den gleichen Stellen gewonnen. Es entstanden sog. Niederwälder, wodurch die zum Stockausschlag befähigten Baumarten (z. B. die Hainbuche) gefördert wurden und die früheren Buchen- oder Buchen-Eichenwälder verdrängten. Darüber hinaus wurden die Wälder als Viehweide genutzt. Hutelinden und Masteichen zeugen noch heute von dieser Nutzungsform. Das Laub aus den Wäldern wurde in großen Mengen als Einstreu für die Ställe verwendet. Die genannten Nutzungen führten zu einer deutlichen Aushagerung und Degenerierung der Wälder bis hin zur Entwicklung von Heideflächen. Solche Heideflächen sind noch heute z.B. im Lorfetal bei Altenlotheim zu finden.

Mit der christlichen Missionierung wuchs die Bedeutung der Kirche als Besitzerin von Grund und Boden. Dabei spielten die Klostervögte von Corvey und Paderborn - die späteren Waldecker Grafen - eine bedeutende Rolle. Sie schufen sich zunächst durch Aneignung von Klosterbesitz in kaum zwei Jahrhunderten einen selbständigen Kleinstaat, aus dem das Fürstentum Waldeck hervor ging. Stammsitz der Grafen war die 1120 erstmals erwähnte Burg Waldeck. Erst um 1720 entstand in Bad Arolsen die spätere Residenz des Fürstentums.

Von Zisterziensermönchen wurde ab etwa 1200 das Kloster Haina gegründet, in dessen Besitz durch Schenkungen oder Spenden viele nahe gelegenen Ortschaften und Ländereien kamen. Bis Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der gotische Kirchenbau und die Klosteranlage vollendet. Mit der Reformation folgte die Auflösung des Klosters. Unter Landgraf Philipp wurde die Klosteranlage in ein Hospital umgewandelt, das Ende des 19. Jahrhunderts um weitere Krankenhausgebäude vergrößert wurde.

Im späten Mittelalter folgte auf die Phase der Siedlungsentwicklung und Ausdehnung der Landwirtschaftsflächen eine Ära des Niedergangs. Durch Hungersnöte und Pestepidemien sank die Bevölkerungszahl. Ganze Dörfer oder Teilsiedlungen wurden aufgegeben und die dazugehörigen Fluren teilweise vom Wald zurück erobert.

Die Vorkommen von Eisen- und Kupfererzen vor allem im südlichen Kellerwald ermöglichten eine bemerkenswerte frühindustrielle Entwicklung. 1561 wurde die Bergwerksiedlung Bergfreiheit gegründet. Die Weiterverarbeitung des Roheisens erfolgte in den durch Wasserkraft angetriebenen Hammerwerken, die vor allem an der schell fließenden Urff errichtet wurden.

Die im Bergbau und in den Hammerwerken Beschäftigten waren zumeist zu­sätzlich auf einen kleinen landwirtschaftlichen Besitz angewiesen. In dieser Zeit entstand der bis heute hohe Anteil kleinbäuerlicher Nebenerwerbslandwirt­schaft im Kellerwald. Die Verhüttung des Erzes erfolgte mit der aus Buchenholz in Meilern gewonnenen Holzkohle. Dafür wurden weite Teile der Wälder abge­holzt. Zeitweise waren daher die Berge waldfrei. Der Ortsname ´Hüttenrode´ weist noch auf diese Zeiten hin. Vermutlich ist der Name ´Kellerwald´ aus dem Wort ´Köhlerwald´ entstanden. Der Kernbereich des Waldschutzgebietes verblieb aus Gründen der Siedlungsferne und Unerschlossenheit jedoch weit gehend von Wald bestockt.

Mitte des 19. Jahrhunderts kam der Bergbau im Kellerwald durch den Konkur­renzdruck der aufstrebenden Industrieregion Rhein/Ruhr sowie in Folge der un­günstigen Verkehrslage und überholter Technik zum Erliegen.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahm die Bevölkerung wieder zu. Die folgenden Jahrhunderte bis zur Gegenwart sind gekennzeichnet durch eine kontinuierlich zunehmende Intensivierung der Nutzungssysteme und der An­bauformen. Zur Abwehr einer drohenden Energie- und Rohstoffkrise, die die weitere wirtschaftliche Entwicklung ernsthaft gefährdete, begannen die Lan­desfürsten, gegen die bäuerlichen und kleingewerblichen Waldnutzungsformen vorzugehen und planmäßig Wälder (meist Nadelbäume) aufzuforsten. Die frü­her weit verbreiteten Nieder- und Mittelwälder sowie die lichten, von oftmals überalterten Mastbäumen dominierten Hutewälder wurden schrittweise von ge­schlossenen Hochwäldern verdrängt.

Auch die Feldflur wurde auf hoheitliche Anordnungen hin mit Gehölzen angerei­chert (Obstbäume, Feldhecken, Ufergehölze) und damit auch ein Teil des Brenn­holzbedarfs gedeckt. In einigen Wiesentälern wurden Bewässerungssys­teme angelegt und damit der Ertrag gesteigert. Durch Verbesserung der ´Dreifelderwirt­schaft´, bei der die Brachflächen mit Futterpflanzen (Klee, Lu­zerne), Lein oder Hackfrüchten (Rüben, Kartoffeln) bestellt wurden, führte zeit­weilig zu einer Entspannung der wirtschaftlichen Lage der Landwirte.

Die mineralische Düngung, die sich seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durchsetzte, ermöglichte eine weitere deutliche Steigerung der Agrarproduktion. Flachgründige Äcker, Steillagen und entlegene Flächen wurden nicht mehr be­nötigt und z.T. aufgeforstet. Die Intensivierung der Anbaumethoden stieß jedoch bald auf ihre Grenzen. Der Konkurrenzdruck und die Agrarpolitik führten in den letzten Jahrzehnten zu einem einschneidenden Rückgang der Landwirtschaft und der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe (→ Kapitel 4.1) mit entsprechenden Folgen für das Landschaftsbild und die Biotopstruktur.

Wichtige wirtschaftliche Impulse für die Region gingen von den Heilquellen in Bad Wildungen aus, die bereits im 14. Jahrhundert genutzt wurden. Die Georg-Victor-Quelle wurde zunächst als Brauwasser verwendet. 1799 wurde eine Ak­tiengesellschaft gegründet, die in der Nähe des Brunnens ein Gasthaus und ein Badehaus errichtete. Jährlich wurden bis zu 30.000 Flaschen mit dem Quell­wasser abgefüllt und verkauft.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Aufstieg Bad Wildungens als Badeort. Seit 1945 trägt die Stadt den Titel ´Hessisches Staatsbad´. 1897 begann der Bade- und Kurbetrieb in Reinhardshausen, später kam Bad Zwesten hinzu (anerkanntes Heilbad seit 1993). Seit 1932 ist dort der ´Löwen­sprudel´ als Heilquelle anerkannt.

Durch den Bau der Edertalsperre (1908 bis 1914), deren Zweck zunächst die Wasserstandsregulierung für die Weserschifffahrt und die Energiegewinnung waren, wurde der Grundstock für die Fremdenverkehrsentwicklung in diesem Bereich gelegt. Nach 1945 entstanden in den Uferbereichen der Edertalsperre zahlreiche Zeltplätze und Ferienhausgebiete. Auch der Kurzzeit- und Tagestourismus entdeckte den Edersee als Ziel, so dass sich das Gebiet zu einem touristischen Schwerpunkt in Hessen entwickeln konnte.

Quellen:

  • Panek, N.: Naturraumführer Kellerwald
  • RP Kassel: Landschaftsrahmenplan Nordhessen 2000 (Kapitel 5)
  • Zarges, W. : Das Hochgewälde am Edersee
  • Verein Freunde des Klosters Haina e.V., Kommunalforstamt Haina und Regionale Entwicklungsgruppe Kellerwald-Edersee e.V. (1999): Historische Wanderwege um Haina
  • Edersee Touristic GmbH und Entwicklungsgruppe Kellerwald-Edersee e.V. (2001): Das alte Edertal - die versunkenen Ortschaften Asel, Bringhausen und Berich
  • Stadt Frankenau, Amt für Regionalentwicklung Korbach und Entwicklungsgruppe Kellerwald-Edersee e.V. (1999): Auf Spurensuche nach geschichtlichen Orten - Quernstkirche, Burgen und Mühlen im Lengelbachtal
  • Erläuterungen auf den Wanderkarten des Hessischen Landesvermessungsamtes

   
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